Alles auf Anfang: Kunststoffe sollten nicht in den Müll und schon gar nicht in die Umwelt gelangen. Kunststoffe sind Stoffe von Wert, die recycelt gehören.
Sauberes Trinkwasser für jeden. Kunststoffe und Kautschuk leisten einen wichtigen Beitrag für ein erfolgreiches Wassermanagement.
Erneuerbare Energien
Der Energiehunger unsere Zivilisation lässt sich nicht mit fossilen Brennstoffen decken. Kunststoffe helfen bei der Erzeugung sauberer Energie.
Kunststoffe - Schlüsselwerkstoffe für eine nachhaltige Entwicklung
Reinhold W. LangInstitut für Polymeric Materials and Testing Johannes Kepler Universität (JKU) Linz, Österreich
Zur Bewältigung der großen, global-zivilisatorischen Herausforderungen (“Grand Challenges“) sind auf internationaler und europäischer Ebene vor allem drei politische Ereignisse mit Langfristwirkung aus dem Jahr 2015 von besonderer Bedeutung. Es sind dies (1) die Ratifizierung der UN Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Agenda 2030 (“Sustainable Development Goals“, SDGs 2030), (2) das UN Klimaschutzabkommen von Paris zur dramatischen Reduzierung von Treibhausgasemissionen und (3) die EU Initiative in Richtung einer Kreislaufwirtschaft (“Circular Economy“).
Kunststoffe - Schlüsselwerkstoffe für eine nachhaltige Entwicklung
Zur Bewältigung der großen, global-zivilisatorischen Herausforderungen (“Grand Challenges“) sind auf internationaler und europäischer Ebene vor allem drei politische Ereignisse mit Langfristwirkung aus dem Jahr 2015 von besonderer Bedeutung. Es sind dies (1) die Ratifizierung der UN Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Agenda 2030 (“Sustainable Development Goals“, SDGs 2030), (2) das UN Klimaschutzabkommen von Paris zur dramatischen Reduzierung von Treibhausgasemissionen und (3) die EU Initiative in Richtung einer Kreislaufwirtschaft (“Circular Economy“).
Außer Zweifel steht, dass eine wirtschaftlich und sozial verträgliche und gleichzeitig umweltschonende stoffliche und energetische Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen eine wichtige Voraussetzung für alle drei obig genannten Zukunftsstrategien und damit für eine Nachhaltige Entwicklung ist. Ebenso klar ist, dass Werkstoffe und werkstoff-basierende Technologien bei der Umsetzung und Implementierung von mit diesen Vereinbarungen und Initiativen einhergehenden Strategien und Lösungsansätzen eine wesentliche Rolle spielen. Polymerwerkstoffen (thermoplastische und duromere Kunststoffe, Elastomere, polymerbasierende Verbund- und Hybridwerkstoffe) kommt dabei als jüngste Gruppe unter den großen Werkstoffklassen aufgrund ihres besonderen Innovations-, Wachstums- und Marktdurchdringungspotentials sogar eine Schlüsselrolle zu.
Abbildung 1: Die 17 Globalziele 2030 für Nachhaltige Entwicklung (SDGs 2030).
Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele in Abbildung 1 wird bereits aus der Struktur und den Bezeichnungen der insgesamt 17 SDGs die Bedeutung von Kunststoffen erkennbar. Dies gilt unmittelbar für die Globalziele SDG 6 (Sauberes Wasser und Sanitärversorgung), SDG 7 (Bezahlbare und saubere Energie), SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur) und SDG 12 (Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster), aber in einer erweiterten Betrachtung auch für SDG 2 (Kein Hunger), wenn man zum Beispiel an die Bedeutung von Kunststoffen im Bereich der Landwirtschaft und Nahrungsmittellogistik denkt, oder auch für SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) und SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden), letzteres im Kontext Gebäude, Infrastruktur, Mobilität/Transport usw. Um diese Zusammenhänge zwischen globalen Herausforderungen, den SDGs und Kunststoffen aufzuzeigen und breit zugänglich zu machen, wurde kürzlich ein am KU konzipiertes, digitales Info&Teaching Tool online gestellt: sdg-info.polysustain.com
Zusammen mit der Tatsache, dass viele der bereits bestehenden Märkte und Einsatzbereiche von Kunststoffen von erheblicher Bedeutung für die Globalziele sind, sind es zunächst vor allem die folgenden typischen Merkmale und Charakteristika, aus denen sich die besondere Rolle von Polymerwerkstoffen auch für eine Nachhaltige Entwicklung ableitet:
multifunktionale Werkstoffeigenschaftsprofile, die in weiten Grenzen variiert und auf spezifische Anforderungen maßgeschneidert werden können,
effiziente, hochflexible Verarbeitbarkeit zu Bauteilen zusammen mit hoher Designfreiheit und außerordentlichen Möglichkeiten der Funktionsintegration, und
gute Wirtschaftlichkeit durch ressourcenschonende Herstellung, Verarbeitung und Anwendung gekoppelt mit einer hohen, regionalen und globalen Wachstumsfähigkeit.
Mit Bezug auf die Metaebenen-Definition von Nachhaltiger Entwicklung1 stellt sich dennoch die Frage, wie sich die intra/inter-generationelle Forderung nach globalem Wohlstand für eine auf 9 bis 10 Mrd. Menschen anwachsende Weltbevölkerung konkret und quantitativ auf Technologien und Werkstoffe übertragen lässt? Der Schlüssel dazu ist INNOVATION, wobei aus wirtschaftlicher und technologischer Sicht die Entkopplung von Prosperität und Ressourcenverbrauch und der Übergang zu einer nachhaltigen Circular Economy im Vordergrund stehen. Als wichtiges Leitprinzip für Technologien einer Nachhaltigen Entwicklung gilt damit die konsequente Reduzierung (Minimierung) der Stoff- und Energieintensität pro Produkt-/Funktionseinheit (bzw. Dienstleistungseinheit) bei gesamtsystemischer Betrachtung unter möglichst gleichzeitiger Nutzung erneuerbarer bzw. kreislauffähiger Ressourcen (d.h. Aufbau kreislauffähiger Strukturen und Prozesse für einen hohen Anteil der Stoff- und Energieumsätze).2 Bei genauerer Betrachtung leiten sich daraus Forderungen zur Steigerung der Ressourcenproduktivität bis 2050 um etwa den Faktor 5 bis 10 ab (jedenfalls für nicht-regenerative Ressourcen).
Abbildung 2: Die UN Globalziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs 2030) und Kunststoffe.
Der Zusammenhang zwischen SDGs, den sich daraus ableitenden Technologien und Innovationszielen sowie den wichtigsten Kunststoffmärkten ist in Abbildung 2 dargestellt. Die gleichzeitige Beachtung der vorgenannten Leitprinzipien erfordert ein “Realignment“ bestehender Kunststoffprodukte und -märkte und nicht zuletzt auch von Entwicklungs- und Innovationsstrategien. Gleichzeitig eröffnen sich aber ausgezeichnete Zukunftsperspektiven für die Kunststoffwirtschaft. Gerade im Hinblick auf Werkstoff-Performance basierende Kriterien der Energie- und Stoffeffizienz sowie auf künftige, kaskadisch organisierte und integrierte Ansätze regenerativer Energie/Stoff-Technologien in einer “All-Circular Carbon Management Economy" weisen Kunststoffe mit ihrer vorwiegenden Kohlenstoff/Wasserstoff/Sauerstoff(CHO)-Basis beste Voraussetzungen auf.1 Es ist daher davon auszugehen, dass Kunststoffe und die Kunststoffwirtschaft in der anstehenden Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einer Nachhaltigen Entwicklung in der Gesamtbilanz zur Gruppe der Gewinner zählen werden.
Abschließend sei angemerkt, dass die SDGs und diesbezügliche Überlegungen zu Innovationen und technologischen Nachhaltigkeits-Leitprinzipien auch im Zusammenhang mit den aktuellen Megatrends Digitale Transformation und Industrie 4.0 noch deutlich stärker in den Fokus zu rücken sind.
Fußnoten: 1) "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklungsform, die den Bedürfnissen gegenwärtiger Generationen entspricht, ohne die Chancen und Möglichkeiten künftiger Generationen zur Bedürfnisbefriedigung zu schmälern und zu gefährden.“ Quelle: Our Common Future (“Brundtland-Bericht“); UN-WCED 1987 2) Antrittsvorlesungen von R.W. Lang an der MU Leoben (1994) und an der JKU Linz (2010) 3) Details siehe: R. W. Lang in „Werkstoffe und Materialien für die Energiewende“; Hrsg. Bolt et al (acatech MATERIALIEN), München: Herbert Utz Verlag; 2017; S. 21ff
Der Autor
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Reinhold W. Lang ist Vorstand des Instituts für Polymeric Materials and Testing (IPMT) an der Johannes Kepler Universität Linz (A). Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Rates der K2019 und da verantwortlich für das Leitthema „Kunststoffe für eine Nachhaltige Entwicklung“. Er beschäftigt sich mit dieser Thematik seit den 90er-Jahren und ist Mitglied im Österreichischen Rat für Nachhaltige Entwicklung. Gegenwärtig leitet er u.a. die österreichische Forschungsplattform SolPol zum Thema Kunststoffinnovationen für die Solartechnik, und er ist Mitglied im Lenkungsausschuss des 2019 gestarteten Projektes „UniNEtZ - Universitäten für Nachhaltige Entwicklungsziele“, an dem insgesamt 15 österreichische Universitäten beteiligt sind.
„Kunststoffe bieten ein außerordentliches Innovationspotential für Technologien einer Nachhaltigen Entwicklung. Sie werden damit zur bedeutendsten Materialklasse und zum technologischen Motor für Sustainable Development.“
o.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont. Reinhold W. Lang erörtert, warum die Kunststoffindustrie gerade an den Punkten Kreislaufwirtschaft, Wassermanagement und Erneuerbare Energien besonders gut an das Leitthema zur nachhaligen Entwicklung andocken kann.
Kunststoffe sind in unserer Welt unverzichtbar. Die Schattenseite sind die nicht gesammelten Abfälle, die Land und Meere verschmutzen. Eine lückenlose Kreislaufwirtschaft kann das verhindern und den Wert des Materials Kunststoff wieder in den Blick rücken. Damit das gelingt, müssen alle Partner in der Kunststoffindustrie zusammenarbeiten, aber auch Markenartikler Endverbraucher und die Politik sind gefragt.