Ein Kunststoff, der nicht vergessen kann -- K Messe
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Ein Kunststoff, der nicht vergessen kann

Quelle: Bayer Material Science


Wenn ein Mensch nachtragend ist, wird ihm diese Eigenschaften meist negativ ausgelegt. In der Materialforschung sieht das ganz anders aus. Das zeigt das Beispiel eines neuen thermoplastischen Polyurethans (TPU), das Bayer MaterialScience gemeinsam mit der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, entwickelt hat. Dieser Kunststoff hat ein unglaubliches Gedächtnis und kann einfach nicht vergessen.

Teile aus solchen Kunststoffen können vorübergehend in eine andere Form gebracht und in dieser Form fixiert werden. Werden sie über eine bestimmte Temperatur, die so genannte Schalttemperatur, erwärmt, dann „erinnern“ sie sich an ihre ursprüngliche Form und nehmen diese fast unverändert wieder ein. Im Fall des neuen in einer Gemeinschaftsakton von Bayer Material Science und der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) entwickelten thermoplastischen SMP-Polyurethans (TPU) liegt die Schalttemperatur bei rund 40 °C. Die Abkürzung SMP steht dabei für die englische Bezeichnung solcher Kunststoffe als „Shape Memory Plastics“.

„Angesichts seiner besonderen Eigenschaft dürften den Einsatzmöglichkeiten des Kunststoffs kaum Grenzen gesetzt sein“, freut sich Jürgen Hättig. Vorstellbar seien laut dem Leiter des Business Development für TPU bei Bayer MaterialScience Anwendungen im Bereich Maschinenbau über die Automobil-, Textil-, Sport- und Freizeitindustrie bis hin zur Spielzeugherstellung sowie der Luft- und Raumfahrt.

Hobbyschrauber können sich freuen: Denkbare Anwendungen sind unter anderem Karosserieschäden, die einfach mittels Fön repariert werden, ebenso Temperatursensoren, künstliche Muskeln, Scharniere, sich selbst lockernde Schrauben, Verpackungen, Schrumpfschläuche und vieles mehr.

Selbstaufrichtende Folientunnel für die Landwirtschaft
Die erste konkrete Anwendung wurde nun schon zum Patent angemeldet: funktionale Folientunnel mit selbstaufrichtender Struktur. Hintergrund: Folientunnel auf einem Feld wirken wie Treibhäuser und beschleunigen das Wachstum von Salat und Gemüse, so dass diese bereits früher geerntet werden können als bei der „klassischen“ Reifung unter freiem Himmel. Während jedoch die Verlegung flacher Folien auf einem Feld einfach ist, kann die dauerhafte Aufrichtung der Folien zu einem Tunnel schon zu einer aufwändigeren und teureren Operation werden.

Dies ist die Chance für das neue Formgedächtnispolymer: Auf die transparente Folie werden Profile aus dem TPU-Kunststoff aufgebracht, die zuvor übergangsweise in eine flache Form gebracht wurden. Nach dem Verlegen der Folie auf dem Beet brauchen die Profile nur auf die Schalttemperatur erwärmt zu werden. Dabei „erinnern“ sie sich an ihre gebogene, permanente Form und richten sich und damit die Folie zu Halbtunneln auf – einer Nutzung als Treibhaus steht nun nichts mehr im Wege.

Fälschungssichere Etiketten mit QR-Codes
Auch im Produkt- und Markenschutz könnte sich der neue Werkstoff bewähren. So hat die BAM auf Basis des TPU-Produkts Etiketten mit eingravierten, farbigen Quick-Response (QR)-Codes entwickelt (Bild oben). Letztere sind nur zu lesen, wenn die Etiketten in ihrer permanenten Form vorliegen. „Die Etiketten eignen sich daher sehr gut als Informationsspeicher, um Waren fälschungssicher zu kennzeichnen und zu identifizieren“, erklärt Dr. Thorsten Pretsch, der in der BAM an Polymeren mit Formgedächtnis forscht. Das Projekt über Etiketten mit schaltbarer Lesbarkeit wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Der TPU-Werkstoff ist frei von Weichmacheradditiven und Hydrolyseschutzmitteln. Er bietet sich deshalb auch für Anwendungen an, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen. Darüber hinaus zeichnet er sich durch die typischen Vorzüge von TPU aus wie hohe Abriebfestigkeit, Elastizität und gute Chemikalienbeständigkeit.

Quelle
Bayer MaterialScience